Loki ist der zwiespältigste Gott der nordischen Mythologie, und obwohl er in den Mythengeschichten bei → Snorri Sturluson und auch der Lieder-Edda recht häufig vorkommt, ist er außerhalb Skandinaviens nicht zu finden. Es fällt mitunter schwer, ihn unter die Götter zu zählen, so sehr tritt er als deren Feind auf: Er ist für den Tod des unschuldigen Gottes → Balder verantwortlich, er ist der Vater der Feinde der Götter, nämlich der → Midgardschlange, des → Fenriswolfs und der → Hel, und in dem Eddagedicht Lokasenna („Lokis Spottrede“) beschuldigt er alle anderen Götter ausgiebig wirklicher oder erfundener Untaten, bis ihn → Thor als Einziger vom Trinkgelage vertreiben kann.
Andererseits ist es gerade Loki, der den Göttern aus schwierigen Situationen hilft, die aber zum Teil von ihm selbst verschuldet sind: so hat beim Bau von Asgard durch den Riesenbaumeister und seinen unglaublich starken Hengst er den Vertrag besiegelt, der dem Riesen im Falle der zeitgerechten Fertigstellung nicht nur → Freyja zur Frau, sondern sogar Sonne und Mond verspricht. Als es aussieht, als würde der Riese den Vertrag einhalten können, muss sich Loki in letzter Minute in eine Stute verwandeln, um den mächtigen Hengst abzulenken. Aus dieser für Loki schmählichen Verbindung entstammt das Götterpferd Sleipnir. Auch für die Erfindung des → Fischernetzes scheint Loki zwar verantwortlich zu sein, will es aber dann den Göttern vorenthalten, indem er seine Erfindung ins Feuer wirft. In ausgesprochenen Schwankgeschichten, die aber vielleicht sehr jungen Datums sind, spielt Loki durchweg die Rolle von Thors Begleiter: sowohl bei Thors Fahrt zu Utgardaloki, wo sich die mächtigen Götter Thor und Loki vor den viel stärkeren Riesen blamieren, als auch in dem schwankhaften Gedicht Thrymskviða (auf Deutsch meist „Heimholung des Hammers“ genannt), in welchem sich Thor und Loki als → Freyja und Zofe verkleiden müssen, um so zum Riesen Thrym zu ziehen. Am weitesten geht eine Szene bei Snorri Sturluson, in welcher die Götter die Riesin → Skaði zum Lachen bringen müssen, die nicht gerade zum Humor neigt: Erst als Loki einen Strick um seine eigenen Hoden und den Bart eines Ziegenbocks bindet, muss sogar sie über das entstehende Gezerre und Gezeter lachen.
Die Deutungen Lokis sind daher sehr vielfältig. Zu bedenken ist auf jeden Fall, dass es nie einen Loki-Kult oder eine identifizierbare Schutzfunktion durch ihn gab, sodass er eigentlich ein „funktionsloser“ Gott ist, den man besser als wichtigen Faktor in Mythenerzählungen ansieht statt als Gott im engeren Sinne. Aber die Parallelen zu den Sagen von Prometheus und dem gefangenen Riesen im Kaukasus in der Geschichte von Lokis Bestrafung (als Strafe für den Tod Balders) sprechen für das hohe Alter der Figur innerhalb der Mythologie.