Hier findet ihr die ersten beiden Kapitel der geplanten zweiten MARA-Trilogie, die Tommy Krappweis bei mehreren Events live vorgetragen hat.
Derzeit ist erst einmal nicht mit einem Erscheinen in naher oder mittlerer Zukunft zu rechnen, da Tommy mit den Ghostsitter-Hörspielen voll ausgelastet ist.
Kapitel 1
Mara hatte Thumelicus eigentlich nur den Hofgarten zeigen wollen. Nun, genaugenommen wollte sie ihm eigentlich gar nichts zeigen, sondern einfach nur Zeit mit ihm verbringen. Das traf sich gut, denn der junge Germane hatte wohl das Gleiche im Sinn gehabt.
So waren sie Hand in Hand durch die ehemals königliche Anlage geschlendert, hatten schließlich eine Bank in der Nähe der Pagode besetzt und dann… nun ja, dann hatten sie das mit dem Küssen noch einmal ausprobiert.
Dies war gleichzeitig irgendwie gut und gleichzeitig irgendwie nicht so gut gelaufen. Natürlich war es grundsätzlich eine schöne Sache, aber in der Praxis war da noch viel Luft nach oben. Da war es wieder: Dieses furchtbare „Pock“ Geräusch, wenn die Zähne zusammenstießen! Das kannte Mara schon von einer… anderen Gelegenheit, die aus… anderen Gründen schief gelaufen war, aber es hatte sich noch kein Gewöhnungseffekt eingestellt. Ganz im Gegenteil.
Auch auch die Verrenkungen, die sie beide anstellen mussten, um sich auch kussgemäß zu umarmen, ließen sich bestenfalls als „eckig“ beschreiben. Beides war der erhofften Romantik abträglich.
„Warte mal, warte mal…“, stieß Mara schließlich hervor und schob Thumelicus so liebevoll wie möglich auf den Platz neben ihr zurück. Der sah sie fragend an, sagte aber nichts.
Jetzt muss ich bestimmt gleich erklären, was los ist und so, dachte Mara und ertappte sich doch glatt bei dem Gedanken, dass das Single-Dasein auch Vorteile hatte.
„Also… es tut mir leid, wenn…“, begann sie schließlich stockend, doch Thumelicus unterbrach sie, in dem er die Hand hob und sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn tippte.
Ach so, ja, entschuldige, ich muss es Dir ja rüberdenken.
Ganz recht, Mara. Ich werde mir aber alle Mühe geben, der Sprache meiner Väter, der meiner römischen Entführer, sowie der meiner wilden Freunde in Walhall so schnell wie möglich eine weitere Zunge hinzuzufügen.
Ja, apropos Zunge. Das erinnert mich an Zähne und darüber würde ich gerne… naja, nicht gerne, aber… also, da muss ich Dir was sagen. Ich finde das ganz furchtbar, wenn wir da so blöd zusammenstoßen. Und es war irgendwie alles so… unbequem und… ich weiß nicht.
Thumelicus lachte auf, griff Maras rechte Hand und legte sie zwischen die seinen. Ihr fiel auf, wie warm seine Hände waren. Am liebsten wäre sie komplett hineingeklettert und hätte sich zwischen seinen Handflächen zusammengerollt zu einer kleinen Marakugel.
Bitte denke Dir nichts dabei. Ich habe schließlich viele Jahrhunderte Vorsprung im Umgang mit Frauen. Aber so kann ich meine Schuld Dir gegenüber vielleicht ein wenig lindern, indem ich Dir ebenfalls ein paar Dinge nahebringe.
Wsgmpf.
Entschuldige, dieses Wort scheint in keiner der mir bekannten Kulturen eine Bedeutung zu haben, was meinst Du damit?
Mara zog unwillkürlich die Augenbrauen zusammen, als sie sich konzentrierte, um Thumelicus von dem nun folgenden Sturm abzuschirmen, der nun jede Millisekunde hinter ihrer Stirn lostoben würde: Vorsprung im Umgang mit Frauen!? Mir Dinge nahebringen!? Und… Vorsprung im Umgang mit Frauen!?
Wollte er damit sagen, dass sie diejenige war, die sich gerade doof angestellt hatte? Also, sie ganz alleine? Es waren doch seine Zähne gewesen, die an die ihren gepockpockpockt waren und nicht umgekehrt? Und er hatte sich doch zu ihr herübergebeugt, als sie gerade das gleiche tun wollte und nur deswegen hatten sie sich in der Mitte getroffen und dann beide mit halb verdrehtem Rücken dagesessen, oder nicht? Wie konnte er da ernsthaft der Meinung sein, dass sie alleine… dass… also wirklich!
Gerade wollte Mara den Schwung der Entrüstung nützen, um ihrem neuen Freund mal einen Schwall an Gedanken hinüberzufunken, die ihn über das Ende der Parkbank und bis hinüber in die Hecke befördern würde, als sie plötzlich eine weitere Stimme in ihrem Kopf vernahm.
Maramaus? Thumelicus? Bitte kommt sofort nach Hause. Wir haben ein Problem.
Kapitel 2
Sie fanden Maras Mutter Christa, Lokis Frau Sigyn und Stefanie, die Exfrau von Professor Weissinger, im Wohnzimmer vor. Alle drei saßen auf dem Couchtisch und wirkten besorgt. Vor ihnen auf dem Sofa lümmelte der Professor und wirkte genervt.
„Ihr auch noch, na Hurra.“, grummelte er Mara und Thumelicus entgegen, „Setzt Euch doch zu den anderen. Wir spielen gerade ‚Wer zuerst lacht‘.“
Was ist denn los?, fragte Mara stattdessen ihre Mutter, ohne ein Wort laut auszusprechen.
Achtung, eine Durchsage, tönte da die Stimme des Professors in Maras Kopf, Dieser Kanal wird abgehört, bitte greifen Sie für geheime Absprachen auf Stift und Papier zurück.
Er kann…, stammelte Mara telepathisch los.
„…uns verstehen, ja.“, antwortete Christa laut, „Und nicht nur das.“
„In der Tat nicht nur das!“, rief Professor Weissinger dazwischen und grinste seltsam: „Sondern auch Anderes, Dieses und Jenes. Solches jedoch nur, wenn die Nacht auf einen Tag, der Schatten in die Sonne und das Meer in einen Becher fällt.“
Fragend blickte Mara zu Steffi, die Professor Weissinger von ihnen allen am besten kannte: „Ähm, er klingt… irgendwie komisch, oder?“
„Komisch allein wär‘ kein Problem.“ antwortete die, „Das war es ja, was ich an ihm am meisten mochte. Es waren eher seine hilflosen Versuche, so etwas wie Normalität vorzutäuschen, die mir irgendwann auf die Nerven gingen.“
„Ich glaube, wir müssen uns bald mal in Ruhe unterhalten.“, ließ sich Maras Mutter vernehmen und Steffi nickte: „Sehr gerne. Vielleicht schreibe ich Ihnen auch einfach mal eine Betriebsanleitung zusammen.“
„Ach das wäre ja…“ begann Christa, wurde aber von ihrer Tochter unterbrochen: „Können wir das vielleicht verschieben? Ich meine, wir wüssten jetzt echt gern, was los ist, bitte.“
„Bei Nidhöggrs nassen Nüstern, nichts ist los!“, schimpfte stattdessen der Professor dazwischen, „Es mag allerdings sein, dass sich das bald ändert, wenn ich weiter vor dieser Dreiigkeit sitzen muss, die mich seit mehreren Minuten mit der Strenge eines fleischgewordenen Matronensteins mustert, ohne ein Wort zu sagen!“
Thumelicus hatte die ganze Zeit still neben Mara gestanden. Doch nun beugte er sich vor und blickte den Professor scharf an. „Was soll das werden? ‚Nasi Nasi‘?“, grummelte dieser, wich aber auch nicht zurück.
Ungerührt winkte der junge Germane Mara heran und deutete mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf Professor Weissingers Kopf. Mara kam näher, ihr Blick folgte dem Fingerzeig und als sie erkannte, was Thumelicus‘ Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, zog sie erschrocken einen ganzen Kubikmeter Luft ein. Da die Pupillen des Professors stark geweitet waren und die Iris drumherum entsprechend schmal war es ihr nicht sofort aufgefallen. Aber aus der Nähe bestand kein Zweifel: Die Iris von Professor Weissingers rechtem Auge war so grün wie eh und je… die linke jedoch nicht. Diese erstrahlte in kristallklarem Blau.
„L… Loki?“, stammelte Mara und blickte dann zu ihrer Mutter und Sigyn. Beide nickten stumm.
„Ah… das erklärt so einiges.“, ließ sich da auch der Professor vernehmen und Mara wendete sich ihm wieder zu. „Echt? Bei mir erklärt sich da grad gar nix, eher das Gegenteil.“, seufzte sie und ließ sich erschöpft auf den Sessel neben der Couch fallen.
Hatten sie nicht gerade eben erst den Feuerbringer besiegt, Vulkane gelöscht, so die Welt gerettet und dabei auch alle nordischen Götter ein für allemal… nun ja… aufgebraucht?
Konnte es wirklich sein, dass der listige Loki einen Weg gefunden hatte, dem Schicksal seiner Mitgötter zu entgehen?
„Herr Professor, bitte…“, stieß Mara zwischen zwei weiteren Seufzern hervor, „Was ist das ‚einige‘ was sich erklärt?“
„Das will ich Dir und Euch sehr gerne darlegen.“, antwortete Professor Weissinger und klang nun plötzlich wieder ganz wie er selbst. Klar – keine Macht der Welt oder der Götter war stark genug, um über ihn zu dominieren, wenn er die Chance witterte, etwas erklären zu können.
„In den letzten Stunden fühlte ich mich mehr und mehr, als wäre ich nicht ganz bei mir. Bislang führte ich das auf die nun doch erheblichen Strapazen der vergangenen Tage zurück und bitte fühle Dich damit nicht schuldig, Mara, ich habe jede einzelne Sekunde genossen. Nun ja, vielleicht nicht den Aufschlag in der Senke auf der Burgstall… und die Halluzinationen in Noatun… und der Besuch bei Loge und die ausserordentlich schmerzhaften…“
„Bitte hören Sie auf, mir mein schlechtes Gewissen nehmen zu wollen.“, winkte Mara matt ab, „Es funktioniert nämlich total überhaupt nicht.“
Sie hörte deutlich, wie Steffi neben ihr durchatmete und sah aus den Augenwinkeln, wie die Exfrau des Professors den Blick hilfesuchend gegen die Zimmerdecke richtete.
„Dort oben ist niemand, der Dich meiner entledigen wollte, Verehrteste.“, antwortete der Professor, „Die sind entweder zu beschäftigt oder wohnen in der entgegengesetzten Richtung oder haben beim Kampf gegen den Feuerbringer ihr letztes Hemd in die Hemisphäre gehaucht. Zurück zum Thema. Ja, ich bin mir sicher, Loki steckt irgendwo in mir drin. Wo genau kann ich nicht sagen, aber ich spüre seine Präsenz, als wäre sie ein Teil von mir… zugleich neben, aber eben auch in mir drin. Verrückte Sache. Und das mir. Mal wieder.“
Gerade wollte Mara zu einer weiteren Erklärung anheben, wie leid Ihr das alles tat und dass sie das nun wirklich nicht beabsichtigt hatte, als der Professor die Hand hob.
„Nicht nötig, kleine Seherin.“, sagte er und verzog dabei zunächst keine Miene: „Auch dieses Abenteuer möchte ich schon jetzt um nichts in der Welt verpassen.“
Dann breitete sich im Gesicht des Professors das breiteste, begeistertste, entschlossenste und zugleich schalkhafteste Grinsen aus, das Mara in ihrem bisherigen Leben jemals gesehen hatte und ihr wurde schlagartig klar, was sie schon hätte ahnen können.
Wenn es jemanden gab, der nur zu bereitwillig sein Einverständnis dazu gegeben hätte, einem nordischen Halbgott für eine Weile Unterschlupf in seinem Körper zu gewähren, dann war dieser jemand Professor Reinhold Weissinger.